Wie gut werden psychisch Erkrankte in Deutschland versorgt?
Bundesweites Versorgungsforschungsprojekt gemeinsam mit der Universitätsmedizin Magdeburg gestartet: Langfristige Evaluation von modernen Modellen soll Versorgung psychisch Erkrankter in Deutschland verbessern.
Das Institut für Sozialmedizin und Gesundheitssystemforschung (ISMG) der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg ist maßgeblich an einer im Sommer 2022 begonnenen mehrjährigen Evaluation von Modellvorhaben zur Weiterentwicklung der psychiatrischen und psychosomatischen Versorgung in Deutschland beteiligt. Im Auftrag eines Verbundes gesetzlicher Krankenkassen werden bis maximal 2041 Effektivität, Kosten und Effizienz von Modellvorhaben zur sektorenübergreifenden Versorgung von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen mit psychischen Erkrankungen untersucht.
Die Projektleitung unterliegt dem Zentrum für Evidenzbasierte Gesundheitsversorgung (ZEGV), beteiligt sind weiterhin Forscher:innen der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Universitätsklinikums Dresden und dem Wissenschaftlichen Institut für Gesundheitsökonomie (WIG2) in Leipzig. Datenbasis dieser Studien sind anonymisierte Abrechnungsdaten, sogenannte Sekundärdaten, von bis zu 70 gesetzlichen Krankenkassen. Im Projektverlauf werden Daten zu mehreren hunderttausenden Versicherten erwartet; die Zahl einzelner Datensätze liegt im dreistelligen Millionenbereich. Die Aufgaben der Magdeburger Forscher:innen des ISMG liegen in der Prüfung und –aufbereitung dieser gewaltigen Datenmenge.
Institutsdirektor Prof. Dr. Dr. Christian Apfelbacher erklärt: „Ein langjähriger Forschungsschwerpunkt des ISMG besteht in der wissenschaftlichen Nutzung von Sekundärdaten unter der Leitung von Professor Enno Swart. Diese Expertise war mitentscheidend bei der Bildung dieses Forschungskonsortiums. Mit diesem inzwischen etablierten Datenzugang im Rahmen der Versorgungsforschung und Epidemiologie hat es bundesweit hohes Ansehen erworben und ist Vorreiter bei der Entwicklung spezifischer wissenschaftlicher Methoden und Standards.“
Insbesondere bei Menschen mit psychischen Erkrankungen ist eine sektorenübergreifende und gut vernetzte Behandlung durch die einzelnen Leistungserbringer von größter Bedeutung für den Behandlungserfolg. Seit 2013 bietet das Sozialgesetzbuch die Möglichkeit einer Weiterentwicklung der stationären psychiatrischen und psychosomatischen Versorgung mittels Modellvorhaben, die auf eine sektorenübergreifende, patientenzentrierte Versorgung ausgerichtet sind. Dabei sollen finanzielle Abrechnungsanreize die Wahl eines patient:innenbezogenen bestmöglichen Settings – nicht wie vielfach in der Regelversorgung beobachtet – verhindern.
Die Modellkrankenhäuser unterwerfen sich dabei einer wissenschaftlichen Evaluation im Vergleich mit Krankenhäusern der Regelversorgung. Seit 2015 wurden bereits 18 Modellvorhaben vom gleichen Projektteam in der sog. EVA64-Studie evaluiert. In diesem neuen Evaluationsprojekt EVA64.2 sollen nun die bis zu 19 bereits bestehenden Modellvorhaben weiter und zusätzlich die bis Mitte 2026 erstmalig etablierten Modellvorhaben neu evaluiert werden. Erst wenn die Versorgungsinnovationen diese wissenschaftliche und objektive Bewertung bestehen, sind sie dazu geeignet, flächendeckend umgesetzt zu werden. Als Kriterien der Bewertung dienen z.B. die Häufigkeit und Dauer erneuter stationärer Aufnahmen nach der Erstbehandlung oder bei erwerbstätigen Patient:innen, die Zahl und Dauer der Arbeitsunfähigkeit nach Erstbehandlung.
Wissenschaftlicher Kontakt:
Prof. Dr. biol. hum. Enno Swart, Projektleitung, Institut für Sozialmedizin und Gesundheitssystemforschung (ISMG), Medizinische Fakultät der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg, Projektleitung, Tel. 0391-67-24306, enno.swart@med.ovgu.de