Rezension "Mit kollegialen Grüßen ... - Sprachdummheiten in der Medizin"
Herausgeber: Reiner W. Heckl
Verlag: Springer Medizin-Verlag, 4. Auflage, 132 Seiten
Preis: 14,95
ISBN: 978-3-642-24158-1
"Vor nichts sollten wir uns mehr in Acht nehmen als davor, wie Schafe der Herde hinterherzutrotten und dabei nicht die Richtung einzuschlagen, in die man gehen sollte, sondern die, in die man geht."
Mit diesem passenden Zitat von Seneca (4 v. Chr. - 65 n. Chr.) beginnt der Autor, Dr. med. Reiner W. Heckl aus Karlsbad, der ehemalige Chefarzt der Abteilung Neurologie im Klinikum Karlsbad-Langensteinbach, seine Ausführungen.
Den Großteil des Textes bietet der Springer Medizin-Verlag auch online zum Lesen an.
In den 4 Vorworten erläutert der Autor seine Herangehensweise an die Problematik, die Ergänzung neuer Kapitel und rechtfertigt sich für seine Arbeit. Sie enthalten aber auch Entschuldigungen an alle Mediziner, die sich durch seine Kritik "auf den Schlips getreten fühlen" (S. V und X).
Ziel des Autors ist es Patienten und Ärzte so kritisch zu stimmen, dass die Sprachfehler erkannt und auch vermieden werden können (S. VII).
In den nachfolgenden 11 Kapiteln beschreibt der Autor Allgemeines zum Sprachverstehen, zur richtigen grammatikalischen Verwendung von stilistischen Mitteln (wie z.B. Metaphern oder Pleonasmen, die Zusammenstellung von Wörtern gleicher Bedeutung) und anderen "Sprachsünden" der Mediziner.
Im Glossar wurden Begriffe und Wendungen zusammengetragen, die dem Autor regelmäßig in wissenschaftlichen Arbeiten und Arztbriefen über den Weg laufen. Benutzte Fachtermini werden in den Bemerkungen leicht verständlich erklärt.
Frech, ja geradezu provokant beschreibt Heckl den Fehler und bietet eine Variante zur Korrektur an.
Z.B.: "diabetisches Fußsyndrom: Wir kennen die diabetische Retinopathie, die diabetische Polyneuropathie, die diabetische Nephropathie und bis jetzt auch den diabetischen Fuß. Aber diabetischer Fuß klingt viel zu einfach! Da hängen wir doch gleich noch ein syndromatisches Schwänzchen an, und wie schön klingt nun "diabetisches Fußsyndrom". Was im Übrigen ist ein diabetisches Syndrom? Wer weiter vom diabetischen Fuß spricht, bleibt sprachlich korrekt und verliert nichts gegen das affige "diabetische Fußsyndrom". Vor allem täuscht er nicht vor, dass es sich hier um ein scharf umrissenes Syndrom handelt." (aus Glossar S. 51)
Ein brandneues Beispiel: Im Ärzteblatt vom 9. Juli 2012 stolpert der Leser des Artikels zur "Blindheit und Sehbehinderung in Deutschland" über den Satz "Projektionen der zu erwartenden Erblindungsraten für andere Industrieländer mit einer hauptsächlich kaukasischen Bevölkerung zeigen einen ähnlichen Anstieg und ein deutlich höheres Risiko für Frauen, im Alter zu erblinden." Was will der Autor des Artikels uns damit sagen? Schnell im Buch nachgeschlagen findet man: "kaukasisch: Diese Krankheit kommt fast nur bei kaukasischen Patienten vor. Der Begriff lässt jeden darüber rätseln, ob Menschen gemeint sein könnten, die aus dem Kaukasus stammen. Es ist aber wieder nur eine naiv-dumm-wörtliche Eindeutschung eines amerikanischen Begriffs. Caucasian bedeutet: Der weißen Rasse zugehörig." (s. Glossar S. 69).
Im gleichen Ärzteblatt steht übrigens auch ein Artikel zur "Evidenzbasierten" Medizin, ein Begriff, gegen den Heckl auch ankämpft, aber diesen Kampf wird er nicht gewinnen. Dieser Begriff hat sich als neuer Fachterminus im Deutschen festgesetzt, wohl weil auch keine prägnante Übersetzung von "evidence-based medicine" gefunden wurde.
Trotz der teilweise harten Kritik ist das Büchlein dennoch amüsant und auch sympathisch geschrieben. Dieses Buch sollte Pflichtlektüre für jeden Medizinstudenten vor dem Verfassen der Dissertation werden!
Auch für den interessierten Patienten ist dieses Buch, z. B. als die etwas andere Wartezimmerlektüre, sehr zu empfehlen!
KS
Verlag: Springer Medizin-Verlag, 4. Auflage, 132 Seiten
Preis: 14,95
ISBN: 978-3-642-24158-1
"Vor nichts sollten wir uns mehr in Acht nehmen als davor, wie Schafe der Herde hinterherzutrotten und dabei nicht die Richtung einzuschlagen, in die man gehen sollte, sondern die, in die man geht."
Mit diesem passenden Zitat von Seneca (4 v. Chr. - 65 n. Chr.) beginnt der Autor, Dr. med. Reiner W. Heckl aus Karlsbad, der ehemalige Chefarzt der Abteilung Neurologie im Klinikum Karlsbad-Langensteinbach, seine Ausführungen.
Den Großteil des Textes bietet der Springer Medizin-Verlag auch online zum Lesen an.
In den 4 Vorworten erläutert der Autor seine Herangehensweise an die Problematik, die Ergänzung neuer Kapitel und rechtfertigt sich für seine Arbeit. Sie enthalten aber auch Entschuldigungen an alle Mediziner, die sich durch seine Kritik "auf den Schlips getreten fühlen" (S. V und X).
Ziel des Autors ist es Patienten und Ärzte so kritisch zu stimmen, dass die Sprachfehler erkannt und auch vermieden werden können (S. VII).
In den nachfolgenden 11 Kapiteln beschreibt der Autor Allgemeines zum Sprachverstehen, zur richtigen grammatikalischen Verwendung von stilistischen Mitteln (wie z.B. Metaphern oder Pleonasmen, die Zusammenstellung von Wörtern gleicher Bedeutung) und anderen "Sprachsünden" der Mediziner.
Im Glossar wurden Begriffe und Wendungen zusammengetragen, die dem Autor regelmäßig in wissenschaftlichen Arbeiten und Arztbriefen über den Weg laufen. Benutzte Fachtermini werden in den Bemerkungen leicht verständlich erklärt.
Frech, ja geradezu provokant beschreibt Heckl den Fehler und bietet eine Variante zur Korrektur an.
Z.B.: "diabetisches Fußsyndrom: Wir kennen die diabetische Retinopathie, die diabetische Polyneuropathie, die diabetische Nephropathie und bis jetzt auch den diabetischen Fuß. Aber diabetischer Fuß klingt viel zu einfach! Da hängen wir doch gleich noch ein syndromatisches Schwänzchen an, und wie schön klingt nun "diabetisches Fußsyndrom". Was im Übrigen ist ein diabetisches Syndrom? Wer weiter vom diabetischen Fuß spricht, bleibt sprachlich korrekt und verliert nichts gegen das affige "diabetische Fußsyndrom". Vor allem täuscht er nicht vor, dass es sich hier um ein scharf umrissenes Syndrom handelt." (aus Glossar S. 51)
Ein brandneues Beispiel: Im Ärzteblatt vom 9. Juli 2012 stolpert der Leser des Artikels zur "Blindheit und Sehbehinderung in Deutschland" über den Satz "Projektionen der zu erwartenden Erblindungsraten für andere Industrieländer mit einer hauptsächlich kaukasischen Bevölkerung zeigen einen ähnlichen Anstieg und ein deutlich höheres Risiko für Frauen, im Alter zu erblinden." Was will der Autor des Artikels uns damit sagen? Schnell im Buch nachgeschlagen findet man: "kaukasisch: Diese Krankheit kommt fast nur bei kaukasischen Patienten vor. Der Begriff lässt jeden darüber rätseln, ob Menschen gemeint sein könnten, die aus dem Kaukasus stammen. Es ist aber wieder nur eine naiv-dumm-wörtliche Eindeutschung eines amerikanischen Begriffs. Caucasian bedeutet: Der weißen Rasse zugehörig." (s. Glossar S. 69).
Im gleichen Ärzteblatt steht übrigens auch ein Artikel zur "Evidenzbasierten" Medizin, ein Begriff, gegen den Heckl auch ankämpft, aber diesen Kampf wird er nicht gewinnen. Dieser Begriff hat sich als neuer Fachterminus im Deutschen festgesetzt, wohl weil auch keine prägnante Übersetzung von "evidence-based medicine" gefunden wurde.
Trotz der teilweise harten Kritik ist das Büchlein dennoch amüsant und auch sympathisch geschrieben. Dieses Buch sollte Pflichtlektüre für jeden Medizinstudenten vor dem Verfassen der Dissertation werden!
Auch für den interessierten Patienten ist dieses Buch, z. B. als die etwas andere Wartezimmerlektüre, sehr zu empfehlen!
KS
17.07.2012