Hirnschrittmachertherapie bei Neuroakanthozytose, erster Patient erfolgreich in Deutschland behandelt
Am Universitätsklinikum Magdeburg gelang im Dezember erstmals in Deutschland die erfolgreiche Implantation eines Hirnschrittmachers bei einem Patienten mit Neuroakanthozytose, einer seltenen vererbbaren Bewegungsstörung. Der zuvor schwerstbehinderte Mann lernt nun wieder laufen und sein Leben alleine zu bewältigen.
Der 46-jährige Maschinenbauingenieur aus Thale im Harz litt seit acht Jahren unter einer rasch fortschreitenden Bewegungsstörung mit Koordinationsstörungen zunächst der rechten Hand, dann auch einer schweren Gangstörung. Hinzu kamen unwillkürliche Bewegungen der Zunge. Zuletzt war der Patient nicht mehr in der Lage, sich selbstständig zu ernähren und wurde mit Breikost versorgt. Als Ursache der Bewegungsstörung wurde eine Erbkrankheit diagnostiziert, die neben schweren neurologischen Störungen zu einer sternförmigen Formveränderung der roten Blutkörperchen führt (Neuroakanthozytose). Nachdem die Diagnose gestellt wurde, erfolgten über viele Jahre in mehreren Kliniken Deutschlands verschiedene medikamentöse Behandlungen, die aber die Symptomatik nicht besserten.
Da die Behinderung weiter zunahm, empfahlen die Ärzte der Klinik für Neurologie und der Klinik für Stereotaktische Neurochirurgie am Universitätsklinikum Magdeburg dem Patienten die Behandlung mit einer Tiefen Hirnstimulation.
Bei der Operation am 12. Dezember 2012 wurde dem Patienten für jede Hirnhälfte jeweils eine Elektrode mit höchster Präzision in ein funktionell wichtiges Hirnareale platziert und an einen unter der Haut implantierten Impulsgeber (Schrittmacher) angeschlossen, der regelmäßig einen schwachen Stromimpuls abgibt. Die Einstellung des Impulsgebers kann jederzeit durch die Haut telemetrisch verändert und kontrolliert werden.
Deutschlandweit ist dies der erste Patient mit dieser speziellen Erkrankung, der einen Hirnschrittmacher erhielt. Bereits wenige Tage nach Einschalten des Hirnschrittmachers kam es bei diesem Patienten zu einer signifikanten Besserung seiner Symptome. Der Patient kann sich nun nahezu normal bewegen und wieder selbst ernähren. Sein größter Wunsch vor der Operation war es, wieder ein Restaurant aufsuchen zu können. Dieser Wunsch ist durch die geglückte Therapie nun in greifbare Nähe gerückt. Selbst eine Wiedereingliederung in das Berufsleben ist für den bis vor kurzem schwerstbehinderten Patienten vorstellbar.
Nach Aussage von Prof. Dr. Jürgen Voges, Direktor der Universitätsklinik für Stereotaktische Neurochirurgie Magdeburg, belegt das gute Ergebnis dieses Einzelfalls, dass die OP eine wichtige Alternative zu den medikamentösen Behandlungen nicht nur bei M. Parkinson, Tremor oder Dystonie, sondern auch bei seltenen Bewegungsstörungen darstellen kann.
Hintergrund:
In Magdeburg besteht seit 2007 ein Zentrum zur Behandlung von Bewegungsstörungen mittels tiefer Hirnstimulation. Seit Ende 2012 wird das Team um den Neurochirurgen Professor Dr. Jürgen Voges und die Neurologin Dr. Imke Galazky durch den Neurologen Professor Dr. Andreas Kupsch verstärkt, der sich seit 1996 mit der Methode wissenschaftlich intensiv beschäftigt. Im Besonderen ist Prof. Kupsch Spezialist für Patienten, die an einer Dystonie leiden.